Wien — Österreich

Werkstatt Sozialwissenschaft

Links (Fortsetzung) zu den Sozialwissenschaften, ihren Disziplinen,

ihren Institutionen in Österreich und international — WiWi 3

 

 

 

Kurzer Überblick über die Entwicklung von Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaften

A) Wirtschaftsentwicklung und vorwissenschaftliche Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften

B) Wirtschaftsentwicklung und wissenschaftliche Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften

a) Vom Merkantilismus bis zum Zweiten Weltkrieg

b) Nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Ausbruch der Finanzkrise

c) Nach dem Ausbruch der Finanzkrise bis heute

 

C)          Wirtschaftswissenschaften in der Krise: Ende oder Neuaufbruch?

 

Diese Zeit steht zunächst unter dem Schock, zu welchen ungeahnten Auswüchsen das Gemisch aus Technik, Bürokratie und totalitärem Politikerwahn führen kann. Internationale Organisationen sollen ähnlich schlimme Entwicklungen in der Zukunft verhindern. Fast ungebremst durch den zweiten Weltkrieg verläuft die wirtschaftliche Entwicklung, vor allem in den USA, die das seit dem Ersten Weltkrieg wirtschaftlich angeschlagene Großbritannien endgültig vom Thron der führenden Wirtschaftsmacht der Erde verstoßen haben: dem — dank der zweiten industriellen Revolution — immer differenzierteren, technologisch machbaren Angebot steht eine zunächst und über lange Zeit wachsende Nachfrage weltweit gegenüber, wenn auch Nation für Nation in unterschiedlicher Ausprägung (Rostows Wachstumsstadien).

Treibende Kraft dieser Nachfrage ist das Bedürfnis der privaten Haushalte nach technisch und ästhetisch zeitgemäßer Ausstattung zwecks Verwirklichung des eigenen Lebensstils unter dem Primat der Freiheit in allen ihren Schattierungen. Äußerliches Signum dieser Freiheit ist die Freiheit von der Ortsgebundenheit, von der Bindung an Scholle — und Familie. Die Ortsmobilität wird Gradmesser persönlicher Lebensqualität, das Automobil zum Träger des persönlichen Ausdrucks von Freiheit „von allem und jedem“, der sich bald und folgerichtig die Freiheit des Reisens, das Lockern familiärer Bande, das Aufschieben einer Bindung in der Ehe oder in fester Partnerschaft und die Lust am „Verreisen“ daraus anschließen. Landflucht und Städtewachstum begleiten weltweit diese Entwicklung.

Der totalitäre Politikerwahn hatte schon vor dem zweiten Weltkrieg zu einer Art Zweiteilung der Welt  geführt: einer sozialen und gemeinschaftlichen Idealen verpflichteten Welt im Kommunismus stand eine kapitalistisch-liberale Welt der Industriestaaten (Spätkapitalismus) gegenüber, die unter dem Schutz demokratisch gewählter Staatsmacht in der frei gewählten Selbstverwirklichung des Einzelnen ihr großes Ziel sah. Nach dem zweiten Weltkrieg erstarrt diese Zweiteilung zum Eisernen Vorhang. Was die Lebensqualität unter den zwei Staatsformen anbetrifft, so lässt sich in etwa zusammenfassen: die erhoffte, aber vergleichsweise spärliche soziale Wohlfahrt im privateigentumslosen Kommunismus kontrastierte mit der zumindest halbwegs funktionierenden, vergleichsweise üppigen sozialen Wohlfahrt in privateigentumsbasierten Staatssystemen kapitalistisch-liberaler Prägung. Ferner gilt: kollektivistischen,  totalitären,  kommunistischen  Regimen mit geringen Freiheitsrechten für den Einzelnen standen individualistisch ausgerichtete demokratische  Staaten mit mehr Rechten für die Individuen gegenüber.

Etwa ab den 1980er Jahren lässt die Nachfrage der privaten Haushalte nach wichtigen Ausstattungselementen nach, eine Sättigung tritt ein. Der auf stete Nachfrage von Privathaushalten gründende Wirtschaftsmotor beginnt zu stottern, die Wachstumsraten sinken, der Sozialstaat ist schon jetzt oder wird künftig steuereintreibende  Soziallast für die StaatsbürgerInnen. Anstelle langlebiger, lebensqualitäthebender Konsumgüter treten kurzlebige, immer billigere Konsumwaren teils minderer Qualität. Mit der durch neue Kommunikationstechnologien weitergetriebenen Globalisierung, welche es seit jeher gab, kommt es zu einer, wie man es nennen könnte, Chinoisisierung der Warenwelt.

Diese Entwicklung wird mehr und mehr begünstigt durch staatsinterventionistische Wirtschaftsbelebungsversuche, die mit einer zunehmenden Staatsverschuldung einhergehen. Parellel dazu nimmt die Arbeitslosigkeit in den entwickelten Industriestaaten zu, die Arbeitsplätze der industrialisierten Staaten werden in Schwellenländer und Länder der dritten Welt (Entwicklungsländer) „umverteilt“, die Einkommen mittels Arbeit, speziell Realeinkommen in den Industrienationen beginnen zu sinken, in jenen der Schwellenländer zu steigen: es kann grundsätzlich mittels Arbeitsplatzallokationen in Schwellen– und Entwicklungsländer zu einer transnationale Umverteilung von aggregiertem Wohlstand kommen und kommt auch teilweise dazu; ein Sinken der Wohlfahrt  industrialisierter Staaten könnte die Folge sein und deutet sich da und dort an.

Anstelle einer Angebot-Nachfrage-gesteuerten Wirtschaft auf der Grundlage solider Finanzverhältnisse tritt eine Nachfrage-Angebot-angeheizte, kreditgetriebene Wirtschaft auf der Grundlage unsolider Finanzverhältnisse. Dies bleibt nicht ohne Folgen: die im 19. Jahrhundert grassierende Ausbeutung der Arbeitermassen wird seit Jahrzehnten abgeändert in eine Ausbeutung der Erde und ihrer Ressourcen.  Diese hat in den letzten Jahren eine massive Beschleunigung erfahren. Die  erlahmende Wirtschaftskraft der veralternden  Bevölkerung industrialisierter Staaten der sogenannten westlichen Welt verhilft den jugendreichen Schwellenländer mehr und mehr, sich an die Spitze der Wirtschaftsnationen (Gruppe der Acht – G8-Staaten) zu bringen: neben Südafrika, Mexiko und Südkorea sind es vor allem China, Indien, Brasilien und Russland. Diese Staaten werden in unterschiedlicher Gruppierung zusammengefasst als die sog. BRIC-Staaten und die Outreach-Staaten (O5-Staaten). Sie laufen zwecks Erlangung der weltweiten Wirtschaftshegemonie gemeinsam mit „den Alten“ als G8+5-Staaten um die Wette.

Doch hinter diesen dreizehn Staaten warten schon weitere Schwellenländer auf ihre Chancen und werden mit den genannten dreizehn Staaten zusammengefasst als die zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (1999). Diese Gruppe unterscheidet sich allerdings von den G20-Staaten (2003), auch „Gruppe der Zwanzig“ genannt,  als „reine“ Gruppe von Entwicklungs- und Schwellenländer. Andere Gruppierungen bilden die seit 2006 siebzehnstaatige Gruppe der Fünfzehn (G15) (1989) und die ältere (1999) bzw. neuere (2006) Gruppe der Dreiundreißig (G33).

Gewaltige weltwirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen scheinen – als Folge der sogenannten dritten industriellen Revolution – vor der Türe zu stehen, sind teilweise bereits eingetreten.

 

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Vor diesem geschichtlichen Hintergrund entwickelten sich die Wirtschaftswissenschaften weiter.Während nach dem zweiten Weltkrieg im Ostblock um die Eigenheiten und Vorzüge einer sozialistischen Wirtschaftsordnung gerungen wurde, gewann die Österreichische Schule der Nationaloekonomie langsam und unter Wiederaufleben des Liberalismus (Wirtschaftsliberalismus), dem sog. Neoliberalismus, einen teils recht bedeutenden Einfluss.

So erhielt sie vor allem in Deutschland bei der theoretischen Begründung und im Ausbau der Sozialen Marktwirtschaft, des sogenannten Ordoliberalismus (Böhm, Erhard, Eucken, Müller-Armack, Röpke, Rüstow), ein stärkeres Mitgewicht. Speziell in den USA gestaltete sie sich zur Sonderform der Austrians Economics um, deren Proponenten zwar auf L. Mises gründen und sich bis heute auf ihn berufen, mit seinen Lehren aber nurmehr entfernter zu tun haben. Die Austrian Economics dürften ihren Zenit in den 1970er/1980er Jahren überschritten haben und stellen heute — plakativ formuliert — eine Art nationaloekonomisches Minderheitenprogramm dar, das im Ludwig von Mises Institute (Auburn, Alabama, USA) eine Heimstätte gefunden hat.

Besonders L. Mises‘ Schüler Fr. A. Hayek trug mit wichtigen Impulsen zur Weiterentwicklung einer (neo-)liberalen Wirtschaftssicht bei und beeinflusste die Herausbildung der Sozialen Marktwirtschaft bzw. des Ordoliberalismus entscheidend mit. Seine Lehre wird heute von verschiedenen Institutionen gepflegt (Übersicht), wie z.B. dem Hayek Center (USA, viele Quellen und Dokumente), der deutschen Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft e.V. und der österreichischen Friedrich August v. Hayek-Gesellschaft. Seine Auffassungen finden im heutigen universitären Mainstream volkswirtschaftlicher Theorien nicht mehr den Platz, den sie etwa um die 1970er/1980er Jahre eingenommen haben.

Die starken Impulse, die John M. Keynes (General Theory, 1936; Keynesianische Revolution) angesichts der Weltwirtschaftsdepression der 1930er Jahre interventionistischen, nachfrageorientierten Wirtschaftspolitiken verlieh (beeinflusste u.a. Roosevelt und dessen New Deal, USA, 1933-1941), verloren nach einem zweiten Aufblühen in den 1960-1970er Jahren (Abba Lerner‘s deficit-spending) an Kraft, machten unterschiedlichen Liberalismus-Auffassungen Platz, darunter gerade auch prononcierteren wie dem Libertarianism/Libertarismus.

Die zentrale Zwangsverwaltungswirtschaft (z.B. UdSSR-Staatskapitalismus) im Sozialismus/Kommunismus, die liberal pointierte Marktwirtschaft (obsolet: Verkehrswirtschaft, bezeichnet heute einen Wirtschaftszweig) und der sogenannte dritte Weg der Sozialen Marktwirtschaft behaupten alle von sich, in Hinsicht auf die Gesellschaft am ehesten eine optimale Wohfahrt für alle dank optimaler Umverteilung von Vermögen i.w.S. zu gewährleisten: optimale Wohlfahrt durch optimale Distribution (Güter- und Dienstleistungsverteilung) dank otpimalen Wirtschaftens in einer optimal organisierten Wirtschaft.